Leiser, Erwin
Geschichte des Bestandsbildners Erwin Leiser, Sohn des jüdischen Rechtsanwalts Hermann Leiser und Emmy Leiser, einer Verwandten des Dramatikers Ernst Toller, wird am 16. Mai 1923 in Berlin- Hohenschönhausen geboren. Von 1932 bis 1938 besucht er in Berlin- Moabit das humanistische Gymnasium „Zum Grauen Kloster". Im Februar 1939 emigriert er als Fünfzehnjähriger ohne seine Mutter nach Schweden, wo er in einem Kinderheim der jüdischen Gemeinde in Västraby unterkommt . An der Universität in Lund studiert er ab 1943 Literaturgeschichte, Philosophie, Psychologie und Deutsch. Das Studium finanziert er mit seiner Tätigkeit als Lehrer. Ab 1945 geht er ersten journalistischen Tätigkeiten bei schwedischen Tageszeitungen nach. Er übersetzt Werke bedeutender zeitgenössischer Schriftsteller ins Schwedische und Deutsche, u.a. Werke von Bertolt Brecht, Max Frisch, Friedrich Dürrenmatt und Nelly Sachs.Von 1950 bis 1958 arbeitet er als Feuilletonredakteur der sozialdemokratischen Morgon Tidningen. Auch für den schwedischen Rundfunk (Sveriges Radio) produziert er Features. Als freier Mitarbeiter des schwedischen Fernsehens (Sveriges Television) arbeitet er ab 1959 an seiner ersten Dokumentation „Mein Kampf", einem der ersten umfassenden Dokumentarfilme über die NS-Vergangenheit. Authentische Filmmaterialien findet er in verschiedenen europäischen Filmarchiven. 1949 wird Leiser in Schweden eingebürgert und bleibt bis zu seinem Tod schwedischer Staatsbürger. 1961 zieht Erwin Leiser mit seiner Familie nach Zürich in die Schweiz, wo er enge Freundschaften zu den Schweizer Schriftstellern Dürrenmatt und Frisch pflegt. Leiser ist keine sehr willkommene Filmperson in der Schweiz und die Schweizer Behörden sind bemüht, ihn auszuweisen. Max Frisch engagiert sich zunächst erfolglos für das Bleiberecht, erst als Dürrenmatt sich persönlich einsetzt, wird Erwin Leiser eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Die Schweizer Behörden überwachen Erwin Leiser von 1962 bis 1974 und notieren Bekanntschaften zu nationalen wie internationalen Persönlichkeiten (z.B. Jiri Weiß, Robert Jungk). In den folgenden Jahren realisiert Leiser weitere Filme zum Thema Judenverfolgung und Deutschlands nationalsozialistischer Vergangenheit (u.a. „Eichmann und das Dritte Reich", „Deutschland, erwache!"). Von 1966 bis 1969 bekleidet Erwin Leiser das Amt des künstlerischen Direktors der 1966 neugegründeten Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Im ersten Studienjahrgang studierten heute bekannte Filmregisseure (Wolfgang Petersen, Gerd Conradt und Haroun Faroqui). Auch der spätere RAF-Terrorist Holger Meins studiert seite 1966 an der Filmakademie . Erwin Leiser gerät 1967 in die Kritik der Studenten und tritt 1969 schließlich von seinem Amt als künstlerischer Direktor zurück. 1974 wird er zum Generalsekretär der Association International des Documentaires (AID) gewählt. In den 70iger und 80iger Jahren arbeitet Leiser verstärkt an Künstlerportäts; neben Schweizer Künstlern wie Rolf Iseli, Hans Falk und Hans Fischli porträtiert er auch andere internationale Künstler. Dennoch bleiben die Themen Nationalsozialismus und Holocaust immer Mittelpunkt seiner filmischen Arbeit. 1992 setzt sich Erwin Leiser mit seinem Dokumentarfilm „Pimpf war jeder" nochmals mit seiner eigenen Vergangenheit auseinander. Er sucht ehemalige Mitschüler seiner Schule „Zum Grauen Kloster" in Berlin auf , um sie über die Schulzeit und die Zeit nach seinem Weggang aus Deutschland 1938 zu befragen. Leiser arbeitet jahrelang mit verschiedenen Sendeanstalten in Deutschland und Europa zusammen, darunter dem ZDF (Mainz), dem Schweizer Fernsehen DRS (Zürich), dem ORF (Wien), der BBC (London) und Sveriges Television (Stockholm). Im Jahr 1991 verleiht ihm die Universität Stockholm die Ehrendoktorwürde. Ein Jahr später zeichnet ihn der Berliner Senat mit dem Titel „Professor ehrenhalber" aus. Seit Beginn der 90iger Jahre lehrt Erwin Leiser im Bereich Medienwissenschaften als Gastdozent an der Universität Konstanz und an verschiedenen Filmhochschulen in Deutschland und der Schweiz. 1994 erhält er vom Kanton Zürich die goldene Ehrenmedaille für kulturelle Verdienste. Als Nachfolger von Peter Lilienthal wird Erwin Leiser 1996 zum neuen Direktor der Abteilung Film- und Medienkunst der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg gewählt. Zudem ist er Mitglied der Europäischen Akademie und erster Vorsitzender des Vereins Freunde der Deutschen Mediathek e.V. Das Bundesarchiv - Filmarchiv zeigt 1996 auf dem 39.Internationalen Leipziger Festivals für Dokumentar- und Animationsfilm eine umfangreiche Retrospektive, an dessen Vorbereitungen Erwin Leiser noch persönlich mitwirkt. Erwin Leiser stirbt am 22.August 1996 in Zürich und wird auf dem Friedhof Oberer Friesenberg in Zürich beigesetzt. Literaturangaben: Leiser, Erwin: Gott hat kein Kleingeld. Erinnerungen, Köln, 1993 Die Wirklichkeit hinter den Bildern. Filme von Erwin Leiser. Eine Retrospektive des Bundesarchiv-Filmarchiv, Berlin, 1996 Munzinger-Archiv: www.munzinger.de Bestandsbeschreibung Erste Gespräche zur Übernahme des Nachlasses in das Bundesarchiv hat es bereits Anfang der 90er Jahre zwischen dem Präsidenten des Bundesarchivs Friedrich P. Kahlenberg und Erwin Leiser gegeben. Auch in Vorbereitung zur Leiser-Retrospektive auf dem 39. Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm im Jahr 1996 sind einige Filmmaterialien bereits übernommen worden. Nach dem Tod Erwin Leisers wurden seit 1997 Gespräche mit der Ehefrau Vera Leiser in Zürich geführt. Im Februar 2000 erfolgte die erste Übernahme von Nachlass-Materialien ins Bundesarchiv. Am 18. Mai 2000 wurden restliche Papiere und Filme aus Zürich, die in weit über 100 Behältnissen lagerten, übernommen. Der Übernahme gingen Sichtungen des Nachlasses, die durch Herrn Dr. Jürgen Real bzw. Karl Griep in Zürich voraus. Ein kleiner Teil von Dokumenten, es handelt sich vorwiegend um Korrespondenzen, ist 1997 von Vera Leiser an das Literaturarchiv Marbach abgegeben worden. Der Nachlass wurde in einem ungeordneten Zustand und ohne Übergabelisten übergeben. Im August 2000 wurde mit der ersten inhaltlichen Sichtung und Erschließung der Materialien in Berlin begonnen. In einer ersten Aktion wurden Filmmaterialien vom Schriftgut getrennt. Da der Nachlass keine vorarchivische Struktur besaß, wurde der Bestand zunächst grob in persönliche Dokumente, Korrespondenz, Arbeits-materialien, Veröffentlichungen, Filme- und Filmprojekte und Themen- sammlung gegliedert. Unter Themensammlung sind Unterlagen zusammengefasst, die vorwiegend Dokumente zu Personen aus Kunst, Film und Literatur, Körperschaften, in denen Leiser tätig war und eine Informationssammlung über den Holocaust und Nationalsozialismus in Deutschland beinhalten, sowie Materialien zur jüdischen Kultur. Plakate und Publikationen wurden separiert. Gedruckte Publikationen wurden der Bibliothek der Abteilung Filmarchiv am Standort Berlin-Fehrbelliner Platz zugeführt, bibliothekarische Doppelstücke wurden anderen Bibliotheken angeboten. Die Plakate liegen im Bestand der Filmplakatsammlung im Bundesarchiv-Filmarchivs. Derzeitig liegen noch Materialien bei den Erben in Zürich Der Nachlass umfasst 467 Bände / Archivmappen. Doppelüberlieferungen und Materialien ohne Überlieferungswert wurden zur Kassation gegeben. Die Filme und Videos befinden sich im Bestand der Filmsammlung des Bundesarchiv-Filmarchivs. Der Nachlass besteht nicht nur aus Unterlagen zur Person Erwin Leiser, sondern beinhaltet auch Material zur Mutter (Emmy Leiser) und persönliche Unterlagen der Familie Sonder und Wagner (Großeltern und Eltern Vera Leisers). Bestandteil sind auch Unterlagen der Ehefrau Vera Leiser. Vera Leiser war zugleich Begleiterin und Assistentin von Erwin Leiser. Dennoch verlangten ihre persönlichen Unterlagen einen eigenen Gliederungspunkt, da sie selbst künstlerisch tätig war und Beiträge für das schwedische Radio produzierte. Die Zuordnung der Unterlagen setzte häufig eine akribische Recherchearbeit voraus, da viele Materialien undatiert und ungeordnet waren und sich in keinem Geschäfts- oder Korrespondenzzusammenhang befanden. Die Beheimatung Erwin Leisers in drei verschiedenen Ländern wurde berücksichtigt und chronologisch dokumentiert. Jugendzeit in Deutschland, Studentenzeit und erste journalistische Tätigkeit in Schweden, Arbeit als Filmdokumentarist in der Schweiz. Der Überlieferungsschwerpunkt liegt bei den schriftlichen Unterlagen zu den Filmen und Filmprojekten. Hier wurde durchgehend eine gleiche, immer wiederkehrende Gliederung gewählt: Produktionsunterlagen, Korrespondenz, Finanzierung, Presseberichte, Veröffentlichungen, Fotodokumente, Filmplakate und Sonstiges. Überlieferungslücken weisen vor allem die in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Fernsehen DRS produzierten kurzen Magazinbeiträge auf. Zu den Filmen „Zürcher Notizen. Um Mitternacht ist alles vorbei" (1972) „Friedrich Dürrenmatt als Maler" (1978), „Thomas Manns Tagebücher" (1978) „De Kooning malt" (1979) und „Dürrematt und Varlin" (1979) fehlen jegliche Unterlagen. Das Filmprojekt „Der 30. Januar 1945" hat Leiser nie zu Ende geführt, da die Firma Atlas - Film die darin verwendeten Szenen ablehnte. Lothar Kompatzki beendete das Filmprojekt. Weitere Filme, die im Findbuch angegeben wurden, sind teilweise nicht realisiert worden. Vor allem kurze Magazinbeiträge von Erwin Leiser liegen in einigen Fernseharchiven in Deutschland und der Schweiz. Genauere Angaben konnten nicht recherchiert werden. Zitierweise BArch N 1508/...
- EHRI
- Archief
- de-002579-n_1508
Bij bronnen vindt u soms teksten met termen die we tegenwoordig niet meer zouden gebruiken, omdat ze als kwetsend of uitsluitend worden ervaren.Lees meer